1. September 2011

Vom Müßiggang oder wie ich mich selbst versklave


Neulich las ich einen Artikel über einen sympathischen Herren aus England, welcher findet, dass der Großteil der Menschheit zu viel arbeitet. Weil wir uns im kapitalistischen System ständig selbst versklaven und somit dauernd quälen, schlägt Herr Hodgkinson vor, dass wir uns alle mal ein bisschen entspannen und dem Müßiggang frönen sollten. Müßiggang ist ein Wort, welches ich gut finde, denn es umschreibt meiner Meinung nach auf charmante Art und Weise die Fähigkeit, das eigene Nichtsun sinnvoll erscheinen zu lassen, obwohl es nach Ansicht unserer Gesellschaft gar keinen  Nutzen hat. Das ist ein komplizierter Gedanke, denn ein Müßiggänger liegt eher nicht den ganzen Tag nutzlos  auf dem Sofa herum. Stattdessen macht ein Müßiggänger vor allem das, worauf er gerade Lust hat. Das zu tun, worauf man Lust hat, ist mitunter anstrengend, weil man dafür meist auch irgendetwas tun muss, auf das man keine Lust hat. Diese Schwierigkeit des Müßiggangs fördert meine Selbstversklavung im kapitalistischen System ganz ungemein.


Als Sklave ist man eher weniger entspannt und tut vor allem Dinge, auf die man keine  Lust hat. Das macht man häufig um Geld zu verdienen, weil viele Dinge, auf die der Mensch Lust hat, nämlich ganz schön teuer sein können oder zumindest eine gewisse finanzielle Stabilität erfordern. Ich tue also Dinge, die mir keinen Spaß machen, damit ich später einmal umso mehr Spaß habe. Das Problem, das ich mit meinem Sklavendasein habe ist, dass ich zwar viele Dinge tue, die mir keinen Spaß machen, dann aber gerne vergesse, mich gebührend dafür zu entschädigen. Anstatt am Wochenende also ein Gartenfest mit überteuertem Wein und noch viel teurerem Käse zu feiern oder stundenlang verklärt lächelnd durch Wiesen zu streifen,verkünde ich meinen Mitmenschen, dass ich in den kommenden zwei Tagen einfach mal gar nichts tun werde, lege ich mich auf's Sofa, schalte den Fernseher ein und versumpfe in meiner selbst auferlegten Nutzlosigkeit. 
Am Wochenende macht man nämlich als Sklave des kapitalistischen Systems nur Dinge, auf die man Lust hat. Falls man dafür etwas tun muss,  auf das man keine Lust hat, lässt man es lieber gleich bleiben. Gartenfest ist doof, denn da muss ich erstmal einkaufen. Und die Stühle abwischen. Und dann kotzt wieder jemand völlig besoffen auf den Grill. Durch Wiesen streifen ist auch nicht so gut, weil da nämlich Zecken sind. Außerdem hol ich mir einen Sonnenbrand. Und überhaupt ist die Wiese auch ganz schön weit weg, da muss ich aufstehen und eigentlich wollte ich ja mal gar nichts machen, also bleibe ich liegen und freue mich über meine Konsequenz.
Nach kurzer Zeit wird meine Konsequenz anstrengend, denn erwartungsgemäß ist das Fernsehprogramm eher mittelgut und ich muss mir Mühe geben, dass ich nicht versehentlich aufstehe und etwas tue, das mit Arbeit zu tun hat. Also versuche ich zu schlafen, kriege aber maximal einen trägen Dämmerzustand hin und beginne, mich zu langweilen.
Langeweile ist auch ein Wort, welches ich gut finde, denn was gut ist, weilt meist viel zu kurz und da mein wochenendliches Nichtstun ja eigentlich etwas Gutes sein soll, dürfte es im Prinzip auch gerne lange weilen. Leider kann die kapitalistische Sklavengesellschaft und somit auch ich mit Langeweile ebenso wenig umgehen, wie mit Müßiggang, denn wer Langeweile hat, kommt offensichtlich mit dem bloßen, ohnehin sinnlosen Nichtstun nicht klar und kann sich genauso gut nützlich machen. Die kapitalistische Sklavengesellschaft steht dann gerne in Form meiner Mutter in der Tür - "Wenn dir langweilig ist, hätte ich da ein paar interessante Vorschläge" - oder pocht in Form meines schlechten Gewissens gegen meine innere Stirnwand, denn bestimmt könnte ich jetzt eigentlich auch ein bisschen lernen. Oder abspülen. Innerlich bricht ein Kampf zwischen meiner Konsequenz und den Anforderungen der Leistungsgesellschaft aus, mit dem Ergebnis, dass ich schlecht gelaunt liegen bleibe und aus Trotz im Internet surfe, damit ich etwas zu tun habe.
Wäre ich ein fähiger Müßiggänger hätte ich stattdessen kurz eingekauft, die Stühle abgewischt und den Grill weit weg vom Essenstisch platziert. Ich hätte Leute aus ihrer Versumpfung gezogen und gemeinsam mit ihnen ein Gartenfest mit Wein und Käse gefeiert, an dessen Ende wir alle gemeinsam wohlig gelangweilt darauf gewartet hätten, dass es zu kalt wird, um im Garten sitzen zu bleiben. Ich wäre gut gelaunt gewesen, obwohl ich Dinge getan hätte, auf die ich nicht die größte Lust hatte.
"Und was bitte schön hast du  damit geleistet?" fragt nun anklagend die Sklavengesellschaft und verschränkt erwartungsvoll die Arme.
Ein fähiger Müßiggänger würde wohl sagen: "Ich habe dem Nichtstun eine interessante Note verliehen." Dafür verdient er Applaus.

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