18. Februar 2012

Wider die tierische Heiterkeit

Es gibt Momente in meinem Leben, in denen wäre ich lieber nicht das Kind meiner Eltern. Vorrangig sind das Momente, die irgendetwas mit der Sonnenbrille meines Vaters zu tun haben, die hat nämlich gelbe Gläser. Mein Vater findet sie wunderschön, ich möchte sie häufig zerstören.
Was meine Mutter anbelangt, so grusele ich mich hauptsächlich vor ihrer Herkunft. Da wo meine Mutter herkommt, feiert man nämlich Karneval. Da wo ich herkomme, feiert niemand Karneval. In meiner Heimatstadt werden Menschen, die an Rosenmontag verkleidet sind, von anderen Menschen mit sehr hochgezogenen Augenbrauen angeschaut. Das missfiel meiner Mutter.
Zu allem Übel hatte sie nämlich mehrere Jahre ihres Lebens in Köln verbracht und dort ein völlig falsches Bild von den Bedürfnissen, die Menschen im Februar haben, entwickelt.
Meine Mutter sorgte sich um die Bewohner meiner Heimatstadt, die um diese Jahreszeit so gar nicht fröhlich und jeck sein wollten, sondern lieber in grauen Winterjacken griesgrämig durch den Schneematsch stapften. Meine Mutter befand, dass diese Leute bestimmt noch nicht einmal im Keller lachen. Das musste sich ändern.
Deshalb machte sich meine Mutter auf, einen Karneval in meiner Heimatstadt zu organisieren. Sie fand tatsächlich einige Gleichgesinnte, die ebenfalls jahrelang still unter Karnevalslosigkeit gelitten hatten und die gewillt waren, diesen Zustand zu ändern.
Ich drückte mich jahrelang vor einem Besuch der Veranstaltung. Ich halte Karneval nämlich für eine Erfindung, die hauptsächlich noch fortbesteht, damit sich alle in der Öffentlichkeit mal so richtig daneben benehmen können. Dagegen habe ich prinzipiell nichts. Was mir den Karneval aber grundsätzlich zuwider macht, sind die zahlreichen unangenehmen Nebeneffekte, die man ertragen muss.
Mein persönlicher Horror sind Tanzgarden. Früher fand ich Funkenmariechen spitze. Meine Mutter hatte mich einmal sogar in eines dieser rot-weißen Kostüme gesteckt. Ja, auch die Perücke hatte ich auf. Auch den Hut. Mittlerweile halte ich Funkenmariechen für eine äußerst peinliche Erfindung. Stundenlanges Marschieren, bei man ein paar Bonbons in die Menge schmeißt und ansonsten vor allem gut aussieht, halte ich für kein Talent, das man der Öffentlichkeit präsentieren muss. Schon gar nicht, wenn einem dabei Horden betrunkener Menschen zuschauen, unter denen sich auch solche befinden, die hauptsächlich da sind, weil sie Mädchen in kurzen Röcken sehen wollen. Überhaupt ist der Karneval eine prima Gelegenheit, um sich über Klischees aufzuregen. Von Frauen wird an Karneval beispielsweise vorrangig erwartet, dass sie sich als wilde Katze mit verwuschelten Haaren oder als verruchter Vamp verkleiden. Oder als Polizistin mit Handschellen. Oder als Krankenschwester. Geschlechtsneutrale Kostüme sind meistens irgendwie uncool. 

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Deswegen verkleiden sich Männer als Fußballer. Oder als Römer. Oder, besonders originell, als der Joker aus Batman, dafür gibt es nämlich ein Schmink-Tutorial im Internet.
Besucht man als Erwachsener selbst keine Faschingsveranstaltung, so werden doch zumindest meist die Kinder dazu verdonnert, diese Aufgabe wahrzunehmen. Nach dem Besuch eines Kinderfaschings hat man meist sehr genaue Vorstellungen davon, wie die persönliche Vorhölle so aussehen könnte. Kinder verstehen nämlich häufig nicht, dass sie eigentlich nur verkleidet sind. Kinder leben ihr Kostüm.
Deswegen kaufen sie sich für ihre Cowboypistole auch einen extra großen Vorrat an extrem lauter Munition.
Deswegen kratzen einen dicke Mädchen im pinken Katzenkostüm auch ein wenig zu fest, wenn man ihnen versehentlich auf den Puschelschwanz tritt.
Deswegen rennt ein Junge, den seine verstörten Eltern als Soldat verkleidet haben, wie ein Wahnsinniger durch den Raum und droht, alle niederzuschießen.
Deswegen schlagen sich die Ökokinder, die sich wieder nur als Jutekutten-Ritter mit Holzschwert verkleiden durften, auch eher nicht im Spiel.
Deswegen kommt auch gerne mal der Krankenwagen vorbei.
Außer, dass sie mir ein wenig suspekt sind, habe ich nichts gegen Menschen, die Karneval feiern. Ich könnte noch nicht einmal von mir behaupten, nicht selbst schon als wilde Katze mit Wuschelhaaren am Straßenrand ein Tanzgarden-Bonbon gelutscht zu haben. Ich empfinde ein wenig Bewunderung für all die Faschingsgruppen, die das ganze Jahr an einem Auftritt feilen und ihn dann auch ziemlich perfekt abliefern.
Das Problem, welches ich mit Karneval habe, ist, dass ich die Menschen hinter den Kostümen nicht so einfach vergessen kann. Ein Politiker wird mir nicht automatisch sympathischer, weil er an Karneval über einen schlechten Witz auf seine Kosten lacht. Ich finde den stumpfen Kommilitonen nicht auf einmal attraktiv, weil er sich eine Pilotenuniform angezogen hat. Ich weiß, dass die meisten Jecken unter ihrer Clownsnase den Rest des Jahres das Prinzip der Humorlosigkeit verkörpern. Das stört mich.
Ich fände es viel besser, wenn sich in unserer Gesellschaft das ungezwungene Fröhlichsein nicht immer auf penibel abgesteckte Zeiträume beschränken würde. Auf Knopfdruck heiter sein zu müssen, empfinde ich als unangenehm. Deshalb stapfe ich auch weiterhin im Februar lieber durch den Schneematsch.

15. Februar 2012

Für immer 2:36.


Für immer Paul.

9. Februar 2012

Und diese Brille!

Seit vergangenem Donnerstag gibt es in den Lichtspielhäusern der Nation eine wahrhaft schöne Brille zu bestaunen. Da man für deren Betrachtung ruhig auch ein wenig Geld ausgeben kann, sollte man sich einen weiteren Cineasten schnappen und mit diesem sehr zügig in Dame, König, Ass, Spion gehen. Einen solch wunderbaren Film habe ich nämlich schon sehr lange nicht mehr gesehen. 
Ich persönlich wusste bereits nach meinem letzten Kinobesuch, dass das Beste an "Ziemlich beste Freunde" allerhöchstens der im Vorhinein gezeigte Trailer zu Herrn Alfredsons Meisterwerk war und zu dieser Erkenntnis reichte mir bereits der Blick auf Gary Oldmans Sehhilfe.


Ich mag an diesem Film, was ich auch an der Serie Mad Man so liebe: Jemand hat sich sehr lange Gedanken darüber gemacht, wie man die Handlung am besten in Szene setzen könnte. Das stete Schummerlicht, die bis ins kleinste Detail durchdachte Requisite, die Filmmusik. Da es dann und wann vorkommt, dass in Dame, König, Ass, Spion über einen längeren Zeitraum niemand spricht, kann man sich durchaus im Kinosessel zurücklehnen und den Film einfach ein bisschen schön finden.
Die Geschichte entwickelt sich bedrohlich langsam, dennoch muss man aufmerksam zuhören, wenn man die von Intrigen und Illoyalität durchzogene Handlung verstehen will, das ist mir an Filmen generell sympathisch.

Am Schluss werfe ich nun noch einen Namen in den Raum, der auch den letzten Zweifler davon überzeugen sollte, sich Carrés verfilmten Agenten-Klassiker anzusehen: Colin Firth.
Damit wäre dann auch alles gesagt.

Das letzte Lied des Filmes ist übrigens dieses hier. Es passt einfach wie die Brille auf Oldmans Nase. 

Julio Igelsias - La Mer

1. Februar 2012

Wenn ich ein Boot hätte.

Wenn ich ein Boot hätte, dann würde ich jetzt wahrscheinlich genau dasselbe tun, das ich gerade auch als Nicht-Bootsbesitzerin tue, nämlich mich mit marxscher Krisentheorie und den Varieties of Capitalism beschäftigen. Und vielen anderen spaßigen Dingen, die nichts mit Bloggen zu tun haben.
Weil ich ja aber zumindest ab und zu mal erzählen möchte, was ich so tue, hier nun eben davon ein Bild.


Ja, ich schreibe beim Lernen meinen Spiegel voll. Ich fühle mich dann wie jemand von CSI oder zumindest vom Tatort, die schreiben ihre Indizien auch immer auf solche Dinge.
Und um nun noch dem sonst recht sinnfreien Titel dieses Posts gerecht zu werden, hier noch ein schönes Lied, welches den Namen Wenn ich ein Boot hätte trägt und mich ein wenig träumen lässt, dass ich mich dann vielleicht doch nicht mit Onkel Marx beschäftigen würde.


James Vincent McMorrow - If I had a Boat