17. Juni 2012

Yes, this is Art!

Weil ich Kunst sehr liebe, versuche ich, möglichst viel davon zu sehen.
Ich bin froh darüber, eine gute Freundin zu haben, die mich dabei stets begleitet, so auch nach Kassel, wo wir uns ein wenig auf der dreizehnten Ausgabe der documenta umsahen.
Ich war vor fünf Jahren schon einmal dort, mein sechzehnjähriges Ich hielt Kunst aber für lästig und Ai Weiwei für einen etwas verwirrten Menschen mit zu viel Zeit, ich war offensichtlich selbst ein wenig neben der Spur.
Ich könnte mir vorstellen, dass mein heutiges überdurchschnittliches Interesse an Kunst als eine Art Wiedergutmachung für all jene Schulstunden fungiert, in denen ich verzweifelt vor einer halbverrotteten Büste aus dem Fundus und einem weißen A3-Blatt saß und von meinem Lehrer mit einem traurigen Blick gemustert wurde. So gesehen muss man Nachsehen haben mit meiner führeren Persönlichkeit, die ganz offensichtlich die Eigenschaften ihres Kunstlehrers auf den unschuldigen Ai Weiwei projizierte.
Ich freue mich im Übrigen sehr, dass nun ein Film über Herrn Weiwei in die Kinos kommt, den ich mir auf jeden Fall ansehen möchte.



Ich muss gestehen, dass ich von der diesjährigen Leiterin der documenta im Vorfeld ein etwas seltsames und mir nicht unbedingt sympathisches Bild gewonnen hatte, was auch daran liegen könnte, dass ich Hunde hasse und CCB ganz offensichtlich nicht. Hundeliebhaber sind mir ein wenig ungeheuer, wie auch die Räumlichkeiten des Fridericianums.
Etwas mürrisch stapften wir von Treppenhaus zu Treppenhaus, vorbei an formschönen Edelstahlgeländern, von einem Raum in den nächsten, dabei stets diesen seltsamen grauen Boden im Blick. Eine weitere mitgereiste Freundin merkte an, sie fühle sich ein wenig wie bei Ikea, ich hielt den Vergleich für überaus passend.

Wenn man nun denkt, dass ich ein etwas empfindlicher Mensch in Sachen Atmosphäre und Raumgestaltung bin, so möchte ich dies bekräftigen. Nichts kann auf einer Party meine Laune so sehr in den Keller befördern wie eine falsche Beleuchtung. Im Fridericianum war ich also hauptsächlich schlecht gelaunt, die dort ausgestellten Künstler vermochten das nur teilweise zu ändern.
Hier ein paar Dinge, die ich mochte:


Das Kunstwerk der aus Kairo stammenden Künstlerin Anna Boghiguian mit dem Titel Unfinished Symphony.
In sehr vielen ausdrucksstarken Bildern präsentiert sie eine Art Tagebuch, welches auf viele globale Ereignisse kritisch Bezug nimmt. Eine Installation ist auch mit dabei. Hier mag ich übrigens auch die Lichtgestaltung sehr gerne.


Wenn man diese Frau mal googlet, gewinnt man den Eindruck, dass sie ein überaus cooler Mensch zu sein scheint.


Sehr, sehr gerne mag ich auch das Projekt des Künstlers Garcia Torres, der sich in Kabul auf die Suche nach einem früheren Hotel gemacht hat, welches Alighiero Boetti, ebenfalls Künstler, Anfang der Siebziger dort erbaut hat. Torres hat das Gebäude wieder hergerichtet, was genau er damit beabsichtigt hat, kann man hier noch einmal sehr schön nachlesen.
Weil das Hotel One logischerweise in Afghanistan steht, ist in Kassel nicht allzu viel von dem Projekt zu sehen, sehr nett findet ich aber die Briefe des Künstlers, in welchen er über seinen Forschungsprozess berichtet, der sich manchmal offensichtlich etwas frustrierend gestaltete.


Ein weiteres nettes Projekt ist die Arbeit von Ida Applebroog, die in einem Raum Gedanken, Skizzen und andere Dinge aus ihren persönlichen Notizbüchern veröffentlicht. Der Besucher wird dazu aufgefordert, sich aus den hunderten Kartons im Zimmer ein paar der Notizen mitzunehmen, alles ist öffentlich, eine Art reales Facebook.


Von Ida hab ich im Übrigen auch den Titel dieses Posts geklaut - mit Sandwich-Schildern wie diesem liefen in der Ausstellungswoche Menschen durch Kassel.


Nachdem wir das Fridericianum verlassen hatten, sind wir ein wenig durch die Karlsaue gewandert. Die dortigen Pavillons haben mir sehr viel besser gefallen als das zuvor Gesehene.
Vermutlich von der Frischluft beflügelt, haben wir uns dazu überreden lassen, beim so genannten Threeing mitzumachen, welches Paul Ryans in den Siebzigern entwickelt hat. Es handelt sich dabei um eine Methode, eine "nachhaltige Beziehung zu Mitmenschen aufzubauen". Ich kann von mir behaupten, dass ich ohne jeglichen Sinn für Spirtualität, In-Sich-Gehen und Standbilder mit mehreren Menschen ausgestattet bin. Beim Yoga beispielsweise lache ich mich gerne tot oder leide an Atemproblemen. Auch Threeing ist somit nichts für mich. Ich muss meine nachhaltigen Beziehungen zu meinen Mitmenschen wohl irgendwie anders gestalten.


Für den besten Pavillon halte ich die Jagdhütte von Fiona Hall, in der Tiere an der Wand hängen, die auf der Roten Liste stehen.


Es ist keine angenehme Atmosphäre, die in diesem Pavillon geschaffen wird, aber gerade das macht den Reiz dieses Kunstwerkes aus: Es mahnt, kritisiert und ruft zur größeren Achtsamkeit mit unserer Umwelt auf.


Das Revolutions-Insekt wird mich wohl noch einige Nächte verfolgen.

Zuletzt haben wir die documenta-Halle besucht, die für mich einen gelungenen Abschluss unserer kleinen Kunsttour darstellte, denn hier gab es endlich auch Gemälde zu bestaunen, darunter sehr viele des Künstlers Gustav Metzger,in dessen Bildern mir vor allem die Farbverläufe sehr gut gefallen haben. Da sich seine Kunstwerke unter Glastischen befanden, darf man nun auch ein paar Lampen und ein etwas blässliches Abbild meinerseits bewundern. Ich habe also Kunstwerk, Raum und Betrachter in einem Bild vereint (...).



Ein sehr raumfüllendes Projekt ist das Kunsttagebuch von Yan Lei, der insgesamt 360 Bilder gemalt hat. Jeden Tag wird eines der Bilder mit komplett gelber Farbe übermalt.
Diese Idee von zeitlich begrenzter Kunst finde ich sehr interessant, vielleicht sehe ich mir den Raum noch einmal am Ende der Ausstellungszeit an.




An dieser Stelle würde ich gerne noch ein wenig Promotion für die Ausstellung "Made in Germany Zwei" in Hannover betreiben, von der ich mir vergangene Woche einen Teil angesehen habe. Im  Künstlerhaus direkt hinter der Oper kann man sich eine "große Überblicksschau zur internationalen, zeitgenössischen Kunstszene in Deutschland" ansehen.
Leider war der Akku meines Handys leer, sodass ich keine Bilder machen konnte, ich war aber durchaus sehr begeistert von den ausgestellten Kunstwerken.

via

Das obere Bild zeigt die Installation Durchbruch durch Schwäche von Alicja Kwade. Die verschiedenen Uhrgewichte verdeutlichen ihr Verständnis von "Zeitlichkeit".
Ich persönlich konnte mich sehr gut in ihre Idee verschiedener Zeitverläufe hineinversetzen, die mal zu fließen, mal stillzustehen scheinen - schön.