29. Januar 2014

Was mein Arabisch macht.

Neulich wurde ich gefragt, was ich eigentlich so vom Internet halte. Es war spät, Neonlicht schien auf mich herab, mein Stuhl wackelte, ich war hungrig, die Frage wurde auf Arabisch an mich gerichtet, ich hatte den Nachmittag in einer unnatürlich kalten Wohnung verbracht, mein Lehrer schaute so schelmisch. Ich hatte absolut keine Lust auf diese Frage zu antworten.
Also sagte ich: Ich mag das Internet. Wenn man es genau nimmt, habe ich gesagt, dass ich das Internet liebe. Das liegt daran, dass mir ein ein etwas weniger dramatisches Wort auf die Schnelle nicht einfiel.

Ich freue mich jeden Tag sehr darüber, dass ich mittlerweile in der Lage bin, Menschen meine Bedürfnisse auf Arabisch mitzuteilen. Mitunter verwende ich sogar Formulierungen, bei denen die Jordanier überrascht die Augen aufreißen und mich loben und sagen, dass ich wie eine Jordanierin klänge und jetzt auch direkt im Radio anfangen könne. Ich hole dann Luft, um verlegen zu protestieren, dann hole ich noch einmal Luft, um wenigstens irgendetwas zu sagen, dann wechselt mein Gegenüber ins Englische und sagt, dass Arabisch die schwerste Sprache der Welt sei und dass man mindestens zehn Jahre brauche, um sich jemals anständig ausdrücken zu können und ich seufze dann und sage ja, eine schwere Sprache, in der Tat.
Ich hab mal einen Text gelesen, in dem ein wichtiger Politikwissenschaftler seitenweise darüber philosophiert hat, wie man Konzepte erstellen sollte. Eines seiner Lieblingswörter war die Abstraktionsleiter. Klettert man die hoch, kann das Konzept logischerweise eine größere Anzahl von Elementen umfassen, als wenn man pingelig Zugehörigkeitskriterien festlegt. Ich bin in Jordanien auf der Abstraktionsleiter ganz weit oben angekommen.

Mein Aktivwortschatz dürfte sich momentan mit dem eines fünfjährigen Kindes decken. Fünfjährige kennen keine sprachlichen Abstufungen und auch keine Paraphrasierungen. In Jordanien möchte ich nicht, ich will. Meine Wetterbewertung beläuft sich auf gut oder kalt.Essen finde ich prinzipiell stets sehr lecker. In meinen Gesprächsbeschreibungen haben Menschen immer nur gesagt, nie angemerkt, nie gemeint, nie erzählt. Ich hasse Neonlicht, ich liebe das Internet.

Hier sieht man mich und eine Freundin auf der Suche nach Internet. Wir sind auch schon etwas müde. Das Cafè rechts neben uns hat kein gutes Wifi, aber sehr leckeres Essen.
Das Gute daran ist, dass man in mein Gerede auf diese Weise sehr viel hineininterpretieren könnte. Meine zu Extremen neigende Ausdrucksweise ist ja schließlich lediglich dem Umstand geschuldet, dass mein Hirn versucht, Aussagen zumindest die richtige Grundrichtung zu verpassen. Wenn ich also sage, dass ich das Internet liebe, erwarte ich von meinem Gegenüber, dass es sich nun vorstellt, wie ich eine detaillierte, mit liebevoll ausformulierten Kritikpunkten gespickte Bewertung abgebe, die darin endet, dass ich das Internet irgendwie okay finde.

Natürlich passiert das nie. Ich würde auch niemanden fragen, ob er gerade wirklich sagen wollte, dass er das Wetter gut findet und nicht etwa, dass die Temperatur so überraschend angenehm und die Luft so klar ist, es aber trotzdem noch ein bisschen wärmer sein könnte.

Eigentlich wollte ich davon erzählen, wie schrecklich umständlich es hier ist, eine schnelle Internetverbindung ausfindig zu machen. Wie ein Junkie renne ich wöchentlich in dasselbe Café und bestelle dann ein kleines Wasser und die Bedienung schaut mich mitleidig an und denkt sich, dass ich eine bin, die das Internet liebt.

So viel zu Sprachbarrieren.