20. August 2011

Weshalb ich trotz meiner Oma Auslandskorrespondentin werde

Eigentlich will ich mal aus Krisengebieten berichten. Meine Familie hat generell nichts dagegen. Aber irgendwie doch.

Wenn ich nicht gerade studiere, beschäftige ich mich gerne damit, mir meine rosige Zukunft auszumalen. Vor meinem gedanklichen Auge sehe ich mich vor einer in Schutt und Asche liegenden Stadt stehen, das Kampf-Geschrei von sich bekriegenden Guerilla-Banden erfüllt die Nacht, ich halte ruhig mein Mikrofon in der Hand und erkläre der deutschen Fernseh-Zuschauerschaft sachlich die Lage.
Meine Gedanken durchkreuzt dann gerne das besorgte Gesicht meiner Oma, die auf ihrem heimischen Sofa sitzt und in Hunsrücker-Dialekt etwas sagt wie "Mei-Juse-Bätter", was nach Aussagen meiner Mutter "Maria-Jesus-und-himmlischer-Vater" bedeuten soll und ein Ausdruck des Erstaunes oder aber des Bestürzens sein kann. Da sich in meiner Vorstellung ihre Hände meist auch wahlweise in Höhe ihres Gesichtes oder aber krampfhaft klammernd am Arm meines Opas befinden, halte ich Entsetzen für den Grund ihres Ausrufes, werde vom schlechten Gewissen gepackt und verbiete mir, meine Vorstellung fortzuführen oder gar detaillierter zu gestalten.
In solchen Momenten komme ich mir schlecht und sündhaft vor, weil ich meiner Oma gedanklich nichts als Sorgen bereite, ich bin eine miese Enkelin, ja, ich sollte lieber Konditorin werden oder Steuerfachangestellte oder wenigstens Lehrerin, auf jeden Fall nichts, was mit einem allzu hohen Gewalt - und Gefahrenrisiko verbunden ist.
Gleichzeitig wallt der Zorn über meine eigene Wankelmütigkeit und mein beeinflussbares Wesen in mir auf.
"Ist es lächerlich, wenn ich mir schlecht dabei vorbeikomme, über eine Zukunft als Auslandskorrespondentin nachzudenken, weil dieser Beruf meine Oma in Angst und Schrecken versetzt?", will ich vorsichtshalber von einer Freundin wissen, der meine Frage jedoch nur ein zweifelndes Heben ihrer rechten Augenbraue wert ist.


via orsotheysay

Überhaupt, Familie und Beruf.
Ich frage mich, weshalb alle immer nur von karrieregeilen Rabenmüttern oder sich aufopfernden Vätern in Elternzeit oder überfüllten Kinderkrippen sprechen, wenn diese beiden Wörter fallen.
Mir als Zwanzigjährige, die für ihre nähere Zukunft nicht geplant hat, Nachwuchs in die Welt zu setzen, bereitet die unheilvolle Konstellation nämlich anderweitiges Kopfzerbrechen: Wie eine Wand der Miesepeterei bauen sich sämtliche Familienmitglieder vor mir und meinen Berufswünschen auf und benutzen dann mein ohnehin bereits gebeuteltetes Du-studierst-und-deine-Eltern-finanzieren-das-alles-Gewissen als Hüpfburg.

Dabei kann man meinen Eltern wirklich keinen Vorwurf machen: Seit meiner Kindheit darf ich alles machen, wozu ich Lust habe (es sei denn, Mama erhebt den Pädagoginnen-Finger und sagt: "Hannah, denk auch mal daran, wie sich dein Verhalten auf andere auswirkt", mein fünfjähriges Ich sagt dann motzig "Mir doch egal", mein Papa sendet mir einen "Tochter, ich bin hochgradig enttäuscht -Blick", ich gebe nach), meine Studienwahl finden beide prima.
Und trotzdem habe ich dann und wann das Gefühl, dass eine journalistische Karriere die beiden nicht so richtig vom Hocker reißt, was vielleicht aber auch daran liegt, dass ich schon zu oft stundenlang über die miesen Chancen in dieser Branche gezetert habe.
"Hannah, willst du nicht vielleicht doch in die Regionalpolitik gehen?", fragte Papa neulich vorsichtig, als wir uns gerade auf der Autobahn befanden, sich ein gewaltiges Gewitter über uns entlud und ich somit nicht weglaufen konnte.
"Nein!", schrie ich empört auf und versuchte einen "Vater, ich bin hochgradig enttäuscht-Blick", der aber nicht die erhoffte Wirkung erzielte. Wie schrecklich, wenn ein Vater sich seine Tochter lieber als Landrätin vorstellt, als in ihrem wahren Berufswunsch!
Kann ich das meinem armen Papa wirklich antun?

Ich finde schon. Schließlich steht bereits in einem kürzlich aufgetauchten Freundschaftsalbum einer ehemaligen Klassenkameradin der fünften Klasse, dass ich Journalistin werden will und Kinder haben ja bekanntlich die besten Träume. Meine Eltern hatten also wirklich lange genug Zeit, sich mit dem Gedanken anzufreunden. Meine Schwester zieht es in Betracht, Modedesignerin zu werden, die Präferenz für brotlose Kunst ist also eventuell sogar ihrer Erziehung geschuldet.
Und was meine Oma betrifft, so vertraue ich auf meinen Opa, an den sie sich klammern darf: Der will vor dem Fernseher nämlich lieber schlafen, als sich ihr "Mei-Juse-Bätter" anzuhören und drückt dann hoffentlich kurzerhand den Aus-Knopf  auf der Fernbedienung.

1 Kommentar:

Ninia LaGrande hat gesagt…

Offensichtlich haben wir ein gemeinsames Jugendidol: Antonia Rados!